Rügen – Deutschlands größte Insel, ein Ort, der zwischen Postkartenidylle und touristischer Überreizung pendelt. Während einige Orte wie Baabe und Sellin mit Charme und Ruhe glänzen, kämpfen andere, etwa Binz, mit den Schattenseiten des Erfolgs. Ein Streifzug über die Insel offenbart eine Landschaft voller Kontraste, Geschichte und Naturwunder.

Baabe: Das stille Juwel der Ostsee
Baabe liegt dort, wo Rügen fast schon wieder Festland wird, eingekuschelt zwischen Ostsee und Bodden. Und obwohl es sich in den letzten Jahrzehnten sanft dem Tourismus geöffnet hat, bleibt es ein Ort für Genießer. Der Strand von Baabe ist so, wie man ihn sich in Träumen vorstellt: feiner, heller Sand, sanft abfallend ins klare Wasser, gesäumt von einem schmalen Saum duftender Kiefern. Besonders erwähnenswert ist die Ferienanlage an der Straße Sanddüne, die sich wie eine kleine, architektonisch durchdachte Siedlung in unmittelbarer Strandnähe ausbreitet.

Hier stehen moderne Strandhäuser wie das Haus Pink und Meer, die mit viel Holz, großen Fensterfronten und klarem Design begeistern. Viele davon verfügen über eigene Terrassen, einige sogar über private Saunen oder kleine Gärten. Es ist ein Rückzugsort für Menschen, die Ruhe schätzen, aber nicht auf Stil verzichten wollen. Die Nähe zum Strand – kaum fünf Gehminuten – macht die Lage ideal. Und während Kinder auf der autofreien Anlage sicher spielen können, genießen Erwachsene den Komfort, am Morgen barfuß zum Meer zu laufen. Die Anlage zeigt beispielhaft, wie behutsam sich moderner Tourismus in die Natur einfügen kann – zurückhaltend, hochwertig, atmosphärisch. Kinder planschen hier ungestört, Eltern lesen entspannt skandinavische Krimis oder beobachten Strandvögel, die sich ins Getümmel wagen. ist so, wie man ihn sich in Träumen vorstellt: feiner, heller Sand, sanft abfallend ins klare Wasser, gesäumt von einem schmalen Saum duftender Kiefern. Kinder planschen hier ungestört, Eltern lesen entspannt skandinavische Krimis oder beobachten Strandvögel, die sich ins Getümmel wagen. Die Promenade ist klein, aber fein, mit Cafés, die statt lauter Cocktailkarten lieber ehrliche Fischbrötchen und Apfelkuchen servieren. Und obwohl es Unterkünfte gibt, von Ferienwohnungen bis hin zu kleinen Hotels, wirkt hier nichts überdimensioniert oder protzig. Baabe ist leise. Und das macht seine eigentliche Größe aus. Wer einmal auf dem Deich zwischen Bodden und Meer spaziert ist, wenn die Sonne untergeht und der Wind wie Seide über das Schilf streicht, der weiß: Hier geht es nicht um Instagram-Motive. Hier geht es um das echte Erleben. Um Erdung. Um Atemholen.

Sellin: Eleganz mit Geschichte
Sellin ist gewissermaßen die große Schwester von Baabe. Etwas mondäner, etwas klassischer, aber nicht weniger einnehmend. Die Seebrücke, fast 400 Meter lang und eine echte Grande Dame unter den deutschen Ostseestegen, ist Herzstück und Bühne zugleich. Wer über sie flaniert, hat das Gefühl, in eine andere Zeit einzutreten. Vielleicht liegt es an der klassizistischen Architektur des Brückenhauses, vielleicht auch an den eleganten Stufen, die zum Strand hinunterführen. Sellin hat Stil, aber ohne zu protzen. Die Wilhelmstraße, Hauptader des Ortes, ist gesäumt von Villen, deren weiße Holzbalkone filigran wie Zuckerbäckerwerk erscheinen. Viele davon liebevoll restauriert, beherbergen sie Cafés, Galerien oder kleine Boutiquen, die eher auf Qualität als auf Masse setzen. Und während unten am Strand das Meer rauscht, lässt sich oberhalb in der Höhenluft hervorragend flanieren, schauen und staunen. Sellin ist kein Ort für Eile. Es ist ein Ort für Gespräche, für das Beobachten von Lichtstimmungen, für das Sich-Verlieren in Details. Wer einmal morgens auf der Brücke stand, wenn Nebel und Licht einander jagen und das Meer wie Glas erscheint, versteht: Sellin ist nicht laut. Aber es spricht.

Binz: Zwischen Glanz und Überfüllung
Binz hat ein Problem: Es ist zu schön. So schön, dass es alle sehen wollen. Und so wird das ehemalige Fischerdorf zur Hauptreisezeit zum Nadelöhr der Sehnsüchte. Was einst als Inbegriff der Bäderarchitektur galt, droht heute im Trubel zu verblassen. Die Villen, strahlend weiß, könnten romantisch sein, wären sie nicht flankiert von Besuchergruppen, Rentnerkarawanen und dem allgegenwärtigen Klang rollender Trolleys. Man spürt, dass Binz unter dem Gewicht seiner eigenen Beliebtheit leidet. Das gastronomische Angebot ist vielfältig, doch selten überraschend. Vieles wirkt auf maximale Auslastung getrimmt. Und auch wenn der Strand zweifellos schön ist – breit, hell, gut gepflegt – so fehlt es dem Ort an Ruheoasen. Wer in Binz Erholung sucht, braucht einen guten Plan und einen langen Atem. Gleichwohl hat Binz nicht alles verloren. Es gibt sie noch, die versteckten Cafés in Seitenstraßen, die leisen Morgenstunden am Meer, bevor die erste Reisegruppe kommt. Binz ist ein Ort im Zwiespalt: überrannt und gleichzeitig nicht bereit, auf Glanz und Glamour zu verzichten. Ein wenig weniger Ehrgeiz, ein wenig mehr Seele – das wäre ihm zu wünschen.

Anreise über Stralsund: Das Tor zur Insel
Die Reise nach Rügen beginnt für die meisten mit einer kleinen Verführung: Stralsund. Die Hansestadt, deren Altstadt zum UNESCO-Welterbe zählt, ist nicht nur ein idealer Zwischenstopp, sondern auch eine Art Präludium auf das, was noch kommt. Backsteingotik trifft Meeresrauschen, die historische Giebelkulisse spiegelt sich im Wasser des Strelasunds. Von hier führt der Weg über die Rügenbrücke, einem technischen Meisterwerk moderner Ingenieurskunst, hinaus aufs Eiland. Wer mit dem Auto anreist, sollte sich Zeit nehmen. Denn schon auf dem Weg über den Damm wird die Dimension der Insel spürbar. Wer mit der Bahn kommt, landet meist in Bergen oder Binz – das geht schnell, ist aber weniger romantisch. Noch charmanter ist die Anreise per Fahrrad entlang der Boddenlandschaft oder mit einem der Ausflugsschiffe, die im Sommer regelmäßig pendeln. Stralsund als Schwelle zwischen Festland und Insel hat dabei fast etwas Symbolisches: Hier beginnt das Loslassen. Die Hektik bleibt hinter den alten Mauern zurück, vor einem liegt die Insel der Langsamkeit.

Rasender Roland: Nostalgie auf Schienen
Wer Rügen gemächlich erkunden will, sollte in einen der alten Waggons des Rasenden Roland steigen. Die Schmalspurbahn fährt seit über 100 Jahren dampfschnaufend zwischen Putbus, Binz, Sellin, Baabe und Göhren. In gerade einmal 30 Kilometern bringt sie ihre Passagiere nicht nur von A nach B, sondern von einer Zeitrechnung in die nächste. Das Tuckern und Pfeifen, das gleichmäßige Rattern auf den Gleisen – all das wirkt wie eine bewegte Meditation. Besonders Kinder sind begeistert, wenn die Dampflok mit ihrer schwarzen Rauchfahne auftaucht. Und wer in einem der offenen Sommerwaggons sitzt, versteht schnell: Geschwindigkeit ist nicht alles. Der Rasende Roland ist mehr als ein Verkehrsmittel – er ist ein fahrendes Denkmal, ein Relikt aus einer Ära, in der Reisen noch ein Abenteuer war.

Prora: Vom Betonkoloss zum modernen Sehnsuchtsort
Prora ist der wohl kontroverseste Ort Rügens. Der „Koloss von Rügen“, einst von den Nationalsozialisten als Ferienanlage für 20.000 Menschen geplant, stand jahrzehntelang leer, eine schlafende Mahnung aus Beton.

Inzwischen wurde er wachgeküsst: Die kilometerlangen Blöcke wurden in Luxusappartements, Hotels und Museen umgewandelt. Wer heute durch Prora spaziert, erlebt ein gespenstisches Nebeneinander von Geschichte und Gegenwart. Die Architektur ist monumental, fast brutalistisch, doch das Leben kehrt zurück – mit Beachclubs, Galerien und modernen Wohnungen mit direktem Meerblick. Die Sanierung ist umstritten, zweifelsohne aber gelungen im Sinne der städtebaulichen Wiederbelebung. Und so ist Prora heute ein Ort der Reflexion und der Reibung, aber auch einer, der die Kraft des Neuanfangs eindrucksvoll zeigt.

Nationalpark Jasmund: Wandern zwischen Buchen und Kreide
Im Nordosten der Insel liegt der Nationalpark Jasmund – ein Refugium für alle, die Natur nicht nur sehen, sondern spüren wollen. Die berühmten Kreidefelsen, allen voran der Königsstuhl, thronen wie bleiche Kathedralen über der Ostsee. Die Landschaft ist dramatisch, fast ehrfürchtig schön. Hier, wo alte Buchenwälder das Licht filtern und schmale Pfade über moosbedeckte Hügel führen, ist die Zeit ein anderes Wesen.

Der Hochuferweg von Sassnitz nach Lohme gehört zu den spektakulärsten Küstenwanderwegen Europas. Immer wieder öffnet sich der Blick auf die steil abfallenden Felsen, auf das tiefblaue Meer, auf Schwalben, die in wagemutigen Bögen durch den Wind segeln. Die Luft riecht nach Salz und Erde, und wer Glück hat, begegnet einem der scheuen Rothirsche, die in den dichten Wäldern leben. Jasmund ist mehr als ein Ausflugsziel – er ist ein poetisches Versprechen an alle, die Stille suchen.

Lietzow und Umgebung: Wanderidylle zwischen Bodden und Wald

Lietzow, oft übersehen, ist einer dieser Orte, die sich nicht aufdrängen – aber lange bleiben. Gelegen zwischen dem Großen Jasmunder Bodden und dem Kleinen Jasmunder Bodden, ist der Ort ein idealer Ausgangspunkt für stille Wanderungen durch eine Landschaft voller Wasser, Wald und Wind. Besonders eindrucksvoll ist der Weg hinauf zur Tempelburg Rugard, von wo aus sich ein weiter Blick über Rügens Nordteil eröffnet. Wer lieber unten bleibt, folgt dem Uferweg bis zum nahe gelegenen Badehaus Goor, einem kleinen Hotel mit Geschichte, das Eleganz und Erholung charmant verbindet. Die Umgebung von Lietzow ist ein Kontrapunkt zum lauten Binz: Hier zählt nicht das Sehen und Gesehenwerden, sondern das Gehen und Verweilen. Eine Landschaft, die man nicht fotografiert, sondern atmet.
Kap Arkona: Leuchttürme, Geschichte und Nordwind
Ganz im Norden der Insel, wo Rügen schroff und wild wird, liegt Kap Arkona. Zwei Leuchttürme, ein Peilturm und der stete Wind vom Meer – das ist das Setting für Spaziergänge mit Weitblick. Die Steilküste fällt hier spektakulär zur Ostsee ab, und an klaren Tagen kann man bis zur dänischen Insel Møn blicken.

Kap Arkona war einst slawisches Heiligtum und Festung, heute erzählen Reste der Jaromarsburg von dieser fernen Zeit. Wer die Gegend erkundet, wird belohnt mit dramatischen Panoramen, urigen Fischerdörfern wie Vitt und kleinen Pfaden, die sich durch Kiefernhaine schlängeln. Der Weg zum Kap ist autofrei – man fährt mit Bimmelbahn, Kutsche oder geht zu Fuß. Und das ist gut so. Denn nur so lässt sich diese markante Ecke der Insel wirklich erfahren: langsam, zuhörend, mit allen Sinnen.
Verborgene Wege: Schmale Straßen und Kopfsteinpflaster
Rügen ist nicht gemacht für Hast. Das merkt man spätestens dann, wenn man auf einer der vielen schmalen Landstraßen unterwegs ist, die sich zwischen Feldern und Alleen entlangschlängeln. Oft reicht die Fahrbahn gerade für zwei Autos, und nicht selten weicht der Asphalt altem Kopfsteinpflaster, das bei Regen rutschig und bei Sonne charmant nostalgisch wird. Wer hier fährt, muss nicht nur bremsen, sondern auch durchatmen. Diese Straßen zwingen zur Entschleunigung – und genau das ist ihr Zauber. Hinter jeder Kurve könnte ein Reh stehen, ein Traktor tuckern oder eine Aussicht auftauchen, die einem den Atem nimmt. Es sind diese versteckten Wege, abseits der Schnellstraßen, die den wahren Charakter der Insel offenbaren. Rügen lebt im Dazwischen, in den Pausen. Und auf diesen kleinen, holprigen Strecken wird das besonders spürbar.